Teilnahme an dvs-Vernetzungstreffen 2025
Regionale Lieferketten für die Außer-Haus-Verpflegung im Fokus
Im Rahmen des dvs-Transferbesuchs „Gutes Essen – kurze Wege“ trafen sich zahlreiche Akteur:innen aus Praxis, Forschung und Beratung am 26. und 27. Juni 2025 in München und Umgebung, um sich über regionale Lieferketten für die Außer-Haus-Verpflegung auszutauschen - darunter auch Sophie Schneider und Lina Hilper vom BIOWER-Projektteam. Die Teilnehmenden besuchten verschiedene Stationen – von Verarbeitungsbetrieben über landwirtschaftliche Höfe bis hin zum professionellen Catering-Anbieter – und erhielten praxisnahe Einblicke in bio-regionale Wertschöpfungsketten.
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Start der Veranstaltung im „Haus der Kost“
Beginn der Veranstaltung war im Haus der Kost - ein Projekt des Sachgebiets „Nachhaltige Ernährung“ im Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München. Das Haus der Kost versteht sich als Drehscheibe für die Ernährungswende in München. Es bietet städtischen Küchen – etwa in Kitas, Kantinen oder Seniorenheimen – kostenlose Beratung und Coaching, um den Anteil an Bio-Lebensmitteln zu erhöhen und regionale Produkte stärker in den Speiseplan zu integrieren. Das Küchenpersonal bildet sich über 6 Monate in Schulungen sowie Beratungsmodulen direkt vor Ort oder im Haus der Kost weiter und erfährt dabei praktische Unterstützung von einem Coach. Als regional gelten Produkte aus einem Umkreis von 150 km oder mit dem Bayerischen Bio-Siegel.
Individuelle Beratung als Schlüssel zum Erfolg
Verena Schlegel vom Ernährungsrat München e. V. betonte die Bedeutung individueller Beratung. Jede Küche hat eigene Herausforderungen – sei es ungeschultes Personal, fehlende Strukturen oder hohe Hygienestandards. Das Ziel ist es, gemeinsam mit den Küchenteams Lösungen zu entwickeln, die den Alltag erleichtern und den Umstieg auf bio und regional ermöglichen.
Ein Vorteil: Die Stadtverwaltung ist Mieterin im Urban Colab, wodurch das Haus der Kost als zentraler Ort für Beratung und Vernetzung genutzt werden kann.Bio-Regio-Management: Bedarf trifft Angebot
Jan Linck von ECOZEPT stellte das Konzept des Bio-Regio-Managements vor. Das Bio-Regio-Management bietet einerseits eine Angebots- und Bedarfsermittlung. Zum Beispiel hilft eine eigens erstellte Lieferantenliste für München und Umgebung dabei, passende Anbieter zu finden – inklusive Informationen zu Liefermöglichkeiten und Bündelungsoptionen für Einrichtungen wie Kitas. Andererseits wird Vernetzung gefördert – beispielsweise durch ein B2B-Speed-Dating „Küche trifft Region“, bei dem Küchenverantwortliche direkt mit regionalen Erzeugerinnen und Lieferantinnen ins Gespräch kommen.
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Nächster Halt: Good Crop – Bio-regionales Convenience für Großküchen
Getreide und Hülsenfrüchte von Good Crop durften probiert werden Im Anschluss an das Treffen im Haus der Kost führte der dvs-Transferbesuch zu Good Crop, einem innovativen Betrieb mitten in München, der Convenience-Produkte aus bio-regionalen Zutaten für die Gemeinschaftsverpflegung herstellt. Das Unternehmen setzt auf eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Landwirt:innen und Verarbeitungsbetrieben wie dem Biohof Gallenbach oder der Drax Mühle. Die Vermarktung erfolgt über den Lebensmitteleinzelhandel (u. a. tegut, Tagwerk), einen eigenen Online-Shop sowie direkt an Großküchen.
Die Produkte von Good Crop werden direkt in transparenten Plastikbeuteln konserviert und anschließend mit einer Banderole versehen. Diese Verpackungslösung wurde bewusst gewählt, da sie sich als besonders nachhaltig erwiesen hat – einerseits durch die Möglichkeit der Konservierung direkt im Beutel, andererseits durch das geringe Materialgewicht.
Für die Außer-Haus-Verpflegung bietet Good Crop Produkte in 2,5-kg-Beuteln an – „ready to eat“ und in der Kantine schnell nachproduzierbar. Das reduziert nicht nur den Arbeitsaufwand in den Küchen, sondern auch Lebensmittelabfälle. Das Unternehmen verfolgt ein Baukasten-Prinzip: CoodCrop stellt Basisprodukte wie z. B. Kartoffelsalat her, die von den Küchen individuell verfeinert werden können.
Innovation und Effizienz als Leitprinzip
Good Crop experimentiert kontinuierlich mit neuen Rezepturen, Sorten und Techniken – neben Berglinsen und Nackthafer werden auch unbekanntere Feldfrüchte wie Lupinen, Einkorn oder Rotkorn angeboten. Ein zentrales Anliegen ist die Effizienz in der Produktion: So wenig Handarbeit wie möglich, um die Produkte kostengünstig anbieten zu können. Aktuell sucht Good Crop nach einer größeren Produktionshalle, um die Prozesse weiter zu optimieren.
Vom Landwirt her gedacht
Die Sortenauswahl erfolgt mit Blick auf Nachhaltigkeit und Klimarobustheit. So eignen sich etwa schwarze Bohnen und Platterbsen gut für den Anbau in Bayern, während Kichererbsen empfindlich auf hohe Niederschlagsmengen reagieren. Auch wenn die Nachfrage nach solchen Spezialitäten noch ausbaufähig ist, setzt Good Crop auf langfristige Entwicklung und Partnerschaften.
Logistik mit vielen Schnittstellen
Die Logistik bei Good Crop erfolgt über mehrere Kanäle. DPD fungiert mit direkten Abholungen der Pakete als wichtiger Logistikpartner für Direktlieferungen an die Kantinen und Gastronomie. Darüber hinaus übernehmen zum Teil auch die tegut-Zentrale, Rewe und Tagwerk sowohl die Lieferung als auch die Abholung der Produkte.
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Abendessen und Hofführung auf dem Biohof Gallenbach
Hof- und Gartenführung durch den Biohof Gallenbach Den Abschluss des ersten Tages bildete ein gemeinsames Abendessen und eine Hofführung beim Biohof Gallenbach in der Nähe von München. Claudia und Hilarius Häußler bewirtschaften dort 31 Hektar Ackerland im Nebenerwerb und bauen eine Vielfalt an Getreide- und Hülsenfruchtarten an – darunter Weizen, Dinkel, Hafer, Emmer, Einkorn, Ackerbohnen und Kleegras. Der Hof ist in mehreren Erzeugergenossenschaften aktiv, etwa bei Barnhouse und Tagwerk. Er beliefert auch die Drax Mühle, von der wiederum Good Crop seine Getreide und Hülsenfrüchte bezieht.
Mehr als Landwirtschaft: Engagement für Gemeinschaft und Bildung
Neben der landwirtschaftlichen Tätigkeit engagiert sich Hilarius im Tagwerk Förderverein, insbesondere in sozialen Projekten und bei der Organisation von Veranstaltungen und Hofführungen. Das zugehörige Gasthaus bietet einen gemütlichen Rahmen für den Austausch bei einem gemeinsamen Abendessen – mit bio-regionalen Zutaten direkt vom Hof.
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Besuch auf dem Biohof Pürten und Einblicke in die Ökomodellregion Mühldorfer Land
Kartoffeln vom Biohof Pürten Am zweiten Tag stand der Biohof Pürten der Familie Brunnhuber im Mittelpunkt. Der Betrieb baut unter anderem Getreide, Kartoffeln, Kürbis und Kohl an, ergänzt durch eine kleine Eierproduktion. Der Hof ist Partner von Barnhouse, dem Food Hub München und verschiedenen Gasthäusern wie dem Klinglwirt in München. Neben der Landwirtschaft betreibt die Familie auch Ferienwohnungen.
Herausforderungen und Erfolgsfaktoren in der Vermarktung
Die Direktvermarktung an die Gastronomie gestaltet sich schwierig: Preisdruck, insbesondere in Kantinen, erschwert die Etablierung von Bio-Kartoffeln. Kaltakquise bei Gastronomen führt selten zum Erfolg. Zudem ist der Bio-Landbau im Landkreis bisher wenig etabliert - 90% der Landwirte wirtschaften konventionell.
Ein weiteres Problem: Zwar gibt es drei Großhändler, die beliefert werden können, doch die Marktmechanismen benachteiligen kleinere Anbieter. In guten Erntejahren sinken die Preise bei Großhändlern, sodass kleinere Bio-Betriebe ihre Ware nicht mehr konkurrenzfähig vermarkten können. Nicht marktfähige Ware wird von der Tafel abgeholt oder als Tierfutter an andere Bio-Betriebe weitergegeben. Eine Belieferung der Wiesn wäre zwar wirtschaftlich interessant, ist aber logistisch für die Familie nicht umsetzbar – die Ware müsste bereits um 5 Uhr morgens in München angeliefert werden.
Ökomodellregion Mühldorfer Land: Unterstützung für regionale Wertschöpfung
Im Rahmen des Besuchs stellte Lena Koch vom TAGWERK e. V. die Arbeit der Ökomodellregion Mühldorfer Land vor. Ziel ist es, regionale Wertschöpfungsketten – insbesondere für die Außer-Haus-Verpflegung – zu stärken und Bio-Produkte aus der Region besser in die Küchen zu bringen. Dabei geht es nicht nur um die Produktion, sondern auch um die Vernetzung von Erzeuger:innen, Verarbeiter:innen und Abnehmer:innen. Beispielsweise möchte eine Klinik in der Region gezielt Bio-Kartoffeln aus der Region als Alleinstellungsmerkmal nutzen – scheitert jedoch an fehlenden Vorverarbeitungsstrukturen, etwa für das Schälen, Vakuumieren und Portionieren.
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Abschluss bei Byodo: Bio-Catering mit Zukunft
Führung durch Kantinen- und Cateringküche von Küchenchefin Sabine Kriegl-Schreiner Den Abschluss des dvs-Transferbesuchs bildete eine Betriebs- und Küchenführung inklusive Mittagessen bei der Byodo Naturkost GmbH in Mühldorf am Inn. Marcus Hofer gab Einblicke in die Arbeitsweise des Naturkostherstellers, der seit 2017 neben seiner Kantine auch ein eigenes Bio-Kita-Catering betreibt. Täglich werden bis zu 2.500 Kinder mit frisch zubereitetem Mittagessen versorgt. Insgesamt werden 27 Einrichtungen in zwei Liefertouren beliefert. Dabei kann das Unternehmen auf ein breites Sortiment eigener Produkte wie Öle und Pasta zurückgreifen, was die Kalkulation erleichtert.
Balanceakt: Regionalität trotz Vergrößerung
Byodo bezieht, wo immer möglich, Zutaten aus der Region – etwa Kartoffeln vom Biohof Pürten. Auch bei steigender Nachfrage bleibt das Unternehmen seinen regionalen Partnern treu und ergänzt nur bei Bedarf mit überregionaler Ware.
Vertrauen durch Transparenz und Feedback
Zu Beginn des Kita- und Schulcaterings stand nur die Stadt Mühldorf hinter dem Projekt. Viele Eltern äußerten zunächst Bedenken gegenüber Bio-Catering: zu wenig Fleisch, zu kleine Portionen, ungewohnter Geschmack. Byodo begegnete diesen Vorurteilen mit konsequenter Transparenz: Täglich konnten Feedbackbögen ausgefüllt werden, um Wünsche und Kritik direkt aufzunehmen. Ein Jahr später war das Vertrauen gewonnen – alle anfänglichen Einrichtungen sind bis heute Kunden geblieben.
Kalkulation und Mengenverständnis
Neben dem klaren Bekenntnis zu Bio und Regionalität nannte Marcus Hofer vor allem Kalkulationsgeschick und ein gutes Mengenverständnis als zentrale Erfolgsfaktoren. Nur so lasse sich ein hochwertiges Bio-Angebot wirtschaftlich tragfähig in der Außer-Haus-Verpflegung umsetzen.
Fazit: Gemeinsam für kurze Wege und gutes Essen
Das Vernetzungstreffen zeigte eindrucksvoll, wie vielfältig und engagiert Akteur:innen entlang bio-regionaler Wertschöpfungsketten zusammenarbeiten, um die Außer-Haus-Verpflegung nachhaltiger zu gestalten und zu transformieren. Vom Coaching im Haus der Kost über innovative Verarbeitung bei Good Crop, praxisnahe Landwirtschaft auf dem Biohof Gallenbach und dem Biohof Pürten bis hin zum Catering bei Byodo – es wurde deutlich, dass Regionalität auch bei wachsender Nachfrage möglich bleibt, wenn Prozesse klug gestaltet und Partnerschaften gelebt werden.
Herausforderungen bestehen
Logistikprobleme, Preisdruck, fehlende Verarbeitungskapazitäten und Skepsis gegenüber Bio-Produkten stellen reale Hürden dar. Doch ebenso real sind die Lösungen: individuelle Beratung, transparente Kommunikation, technische Innovationen und ein starkes Netzwerk aus Erzeuger:innen, Verarbeiter:innen und Abnehmer:innen.
Der Besuch hat nicht nur Wissen vermittelt und für Vernetzung gesorgt, sondern auch Mut gemacht – für eine Ernährungswende, die vom Acker bis zur Kantine denkt und zeigt, dass „Gutes Essen – kurze Wege“ mehr als nur ein Motto ist: Es ist ein Weg in die Zukunft, der machbar ist.
Mehr zur Veranstaltung hier: https://www.dvs-gap-netzwerk.de/service/unsere-veranstaltungen/vergangene-veranstaltungen/2025/gutes-essen-kurze-wege/