Über das Projekt

Das Forschungsvorhaben BIOWER identifiziert Erfolgsfaktoren und Hemnisse für die Entstehung und eine nachhaltige Fortführung von bio-regionalen Wertschöpfungsnetzwerken und leitet daraus Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Stakeholdergruppen ab.
Zielsetzungen
Die Schaffung bio-regionaler Wertschöpfungsketten und Netzwerke zielt neben der Stärkung des ökologischen Landbaus u. a. auf eine positive Entwicklung des Bio-Lebensmittelmarkts, auf den Umweltschutz und die Stärkung der regionalen Wirtschaft ab. Trotz dieser breiten Zielstellung wurden Erfolgs- und Zielgrößen bio-regionaler Wertschöpfungsketten bislang zu eindimensional untersucht. Es fehlt beispielsweise eine systematische Erforschung von Erfolgsparametern in unterschiedlichen Phasen der Netzwerkentwicklung. Ebenso wurden Erfolgsfaktoren zur Entwicklung bio-regionaler Wertschöpfungsnetzwerke (BRWSN) bisher nur anhand ausgewählter Fallstudien analysiert.
Das Projekt adressiert diese Lücke: Dazu werden bio-regionale Wertschöpfungsketten und Öko-Modellregionen untersucht, die heterogene Rahmenbedingungen und verschiedene produkt- und prozessbezogene Schwerpunkte aufweisen sowie unterschiedlich stark entwickelt sind. Somit können übergreifende Erfolgsfaktoren und Hemmnisse destilliert und praxisorientierte Handlungsempfehlungen für Betriebe, Netzwerke und Politik abgeleitet werden.
Arbeitsplan

Projektablauf
Die Bearbeitung des Projektes erfolgt in insgesamt vier Stufen:
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Die erste Stufe dient der inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung der Untersuchung. Der Erfolgsbegriff im Kontext bio-regionaler Wertschöpfungsnetzwerke wird aufgrund fehlender Grundlagen in der Literatur genauer erarbeitet. Wertschöpfungsnetzwerke als Gegenstände der Analysen werden mit dem Ziel einer möglichst großen Varianz von Kontextvariablen und internen Faktoren ausgesucht.
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In der zweiten Stufe werden die identifizierten Wertschöpfungsnetzwerke detailliert auf strukturelle Merkmale und Ziele analysiert, sowohl auf einzelbetrieblicher Ebene als auch auf Ebene der Netzwerke sowie hinsichtlich ihrer Interaktion mit der jeweiligen Region. Dazu wird auf Ökomodellregionen (ÖMRs) in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen zurückgegriffen. In diesen Bundesländern hat die Förderung von ÖMRs teils eine längere Historie. Pro Bundesland werden drei ÖMRs untersucht, um mit vertretbarem Aufwand eine ausreichende Varianz in den Untersuchungsgebieten zu erhalten.
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In Stufe drei findet eine qualitative und quantitative Analyse der Erfolgsfaktoren und Hemmnisse statt.
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Diese Analysen bilden zusammen mit den Ergebnissen der Strukturerhebung auf Stufe 3 die Grundlage für die Ableitung von Handlungsempfehlungen für die einzelnen Betriebe, die Wertschöpfungskette, das Netzwerk und die ganze Region, die in Stufe vier erfolgt.
Hintergrund

Anfang 2023 bestand in Bezug auf die Erforschung von Erfolgsfaktoren und Hemmnissen großer Bedarf. Den Stand der Forschung im März 2023 zeigt der nachfolgende Text auf (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Hautzinger hat in einem qualitativen Ansatz Projekte und Initiativen in sechs südlichen Öko-Modellregionen Bayerns analysiert (Hautzinger 2020). Dabei konnte gezeigt werden, dass Öko-Modellregionen ein wirksames Instrument zur Stärkung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft sind. Braun et. al. (2021) stellt weiterhin fest, dass der Aufbau einer Wertschöpfungskette ein sozialer Prozess ist, in dem Akteure unterschiedlicher Unternehmen ihre jeweiligen Interessen und Ziele im Sinne interorganisationaler Kooperation zusammenbringen müssen (Huxham und Vangen 2005; Schruijer 2020). Diese Kooperationsprozesse bergen ein hohes Maß an Komplexität und Unklarheit, da sie gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen stattfinden – zwischen Personen, innerhalb einzelner Unternehmen und zwischen den Unternehmen der Wertschöpfungskette. Erschwert werden können solche Prozesse durch das Fehlen formaler Strukturen, da sich innerhalb der entstehenden Kooperation noch Zuständigkeiten, Rollen und Regeln ausbilden müssen (Huxam und Vangen 2005). Dem entsprechend hat das soft capital bzw. Sozialkapital im Sinne von zwischenmenschlichen Beziehungen, Vertrauen und gemeinsamen Werten eine hohe Bedeutung für das Funktionieren von Wertschöpfungsketten (Dalgaard et al. 2003, Hautzinger 2020). Nach Putnam bezieht sich Sozialkapital auf Merkmale sozialer Organisation wie Netzwerke, Normen und soziales Vertrauen, durch die die Koordination und Kooperation zum gegenseitigen Nutzen erleichtert wird (Putnam 1995; Coleman 1990). Das soziale Kapital resultiert aus Interaktionen zwischen verschiedenen Akteuren und bietet sowohl individuellen als auch korporativen Akteuren mehr Handlungsmöglichkeiten (Jansen 2006: 26). Dies mündet laut einer Studie von Orsini et al. (2020) wiederum in einer höheren Verhandlungsmacht gegenüber dem Handel. Das soziale Kapital bio-regionaler Wertschöpfungsnetzwerke resultiert also auch in einer höheren Wertschöpfung der beteiligten Akteure. Dieses abgestimmte Verhalten beinhaltet auch sich selbst verstärkende Entwicklungspfade, indem z.B. in gemeinsame Regio-Labels oder exklusive Vermarktungszugänge investiert wird (Koreleska et al. 2017, Baron et al. 2019).
Als zentral haben sich im Aufbau und der Steuerung von bio-regionalen Wertschöpfungsnetzwerken Projektmanager*innen gezeigt, „die in den Regionen Netzwerke bilden, Prozesse in Gang setzen, Veranstaltungen und Exkursionen organisieren und dazu beitragen, dass die Anonymität zwischen Akteur*innen aufgehoben wird“ (Hautzinger 2020). Ähnlich konnte in einer Studie aus Baden-Württemberg eine mangelnde Vernetzung zwischen den Wirtschaftsakteur*innen während des Projektverlaufs als Hemmnis für eine zusätzliche Wertschöpfung, Transparenz, Kosteneinsparung und Resilienz identifiziert werden (Gider et al. 2021). Über den Vermarktungsaspekt hinaus ermöglicht die regionale Vernetzung auch den allgemeinen Informationsfluss, das Konstituieren von effizienten Interessensgruppen, das Definieren sektoraler Strategien und die Formulierung von Bedarfen (z. B. Richtlinien, öffentliche Unterstützung, Marktforschung etc.). Eine andere wichtige Funktion ist die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder im Netzwerk (ebenda)
Neue Entwicklungen bio-regionaler Netzwerke lassen sich in einer stärkeren Stadt-Land Verknüpfung erkennen (Dörnberg et al. 2016), wie sie in Deutschland z.B. unter dem Konzept der Biostädte (Biostädte 2023) propagiert werden. Erste Evaluationen solcher Initiativen im europäischen Ausland sind positiv. Allerdings sind auch hier noch viele Optimierungspotentiale offen (Schleifer et al. 2022). Im Rahmen der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau hat das BMEL zusammen mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis, Kompetenzteams berufen, welche zu ausgewählten Themenschwerpunkten Vorschläge erarbeiten sollen. Ein Kompetenzteam nimmt beispielsweise Fragestellungen rund um die Stärkung der Bio-Wertschöpfungsketten in den Blick, ein anderes adressiert berufliche Bildungs- und Weiterbildungsbedarfe entlang der Wertschöpfungskette (BMEL 2023). Auch an der HSWT werden regionale Wertschöpfungsketten in aktuellen Forschungsprojekten untersucht, bei denen es um die Beschreibung und Transparenzmachung von kurzen Wertschöpfungsketten im Ökolandbau in Bayern (HSWT 2023 a) oder die Einsatzmöglichkeiten der Digitalisierung im Rahmen der Regionalentwicklung geht (HSWT 2023b).
Zusammenfassend zeigt die Literatur, dass
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Bio-Wertschöpfungsketten ein wesentlicher Motor für die Entwicklung der ökologischen Produktion und Lebensmittelwirtschaft sind
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darüber hinaus aber auch eine Reihe weiterer positiver Aspekte für die Akteure in der Region und die Region insgesamt durch Bio-Wertschöpfungsketten entstehen (Bachinger und Pechlaner 2011; Emery und Flora 2006)
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Die Rahmenbedingungen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeiten der Bio-Wertschöpfungsketten ausüben, dies aber noch nicht hinreichend analysiert ist
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der Netzwerkbildung und -pflege und dem dabei entstehenden Sozialen Kapital eine wesentliche Rolle beim Erfolg von Bio-Wertschöpfungsketten zukommt.